Dienstag, 05.04.16

Korbinian Aigner, der Apfelpfarrer

Der bayr. Pfarrer Korbinian Aigner (1885 -1966) widmete sich lebenslang leidenschaftlich dem Obstanbau, besonders den Äpfeln. Als NS-Regime-gegner wurde er im KZ Dachau interniert und zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft eingesetzt. Dort züchtete er weiter Äpfel, wie den später ihm zu Ehren benannten „Korbiniansapfel“.

Über das bewegende Leben des „Apfelpfarrers“ zwischen Obstanbau und Hochverrat spricht:

mit Anna Federauer, Straussdorf

http://www.gartenbauvereine-landkreis-ebersberg.de/mitglieder/strau%C3%9Fdorf/

Teilnahmegebühr 4 Euro / Frühstück nach Ermessen

 

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Hohenpolding

Geschichte des "Apfelpfarrers"                                                                    Enelisch

 

 


Der "Apfelpfarrer"

Korbinian Aigner

11.Mai 1885 - 5.Oktober 1966

 

Korbinian Aigner ist am 11. Mai 1885 auf dem "Poldingerhof" in Hohenpolding geboren. Er war als ältester Sohn Hoferbe und hatte noch zehn Geschwister, sechs Schwestern und vier Brüder.

 

Entgegen dem Willen der Eltern und sogar des Ortspfarrers verzichtete er auf das Hoferbe und wollte Pfarrer werden.

 

Die Schulzeit

Nach der Volksschule in Hohenpolding (1891-1896), besuchte er ab dem Schuljahr  1896/97 als Zögling des erzbischöflichen Knabenseninars das Dom-Gymnasium in Freising. Am Ende der 8. Klasse, im Jahre 1904, wurde ihm wegen schlechter Leistungen in Latein und Griechisch das Vorrücken untersagt. Er wiederholte die Klasse nicht in Freising, sondern ging ans Luitpold­ Gymnasium nach München, an dem Oberstudienrat Georg von Orterer, ein Lehrerssohn aus Wörth bei Erding, Direktor war.  m Sommer des Jahres 1906 legte Korbinian Aigner dort das Abitur ab und trat am 2. November 1906 ins Priesterseninar inFreising ein, um Theologie zu studieren.   m Sommer 1911 wurde er vom Erzbischof Franz v. Bettinger im Freisinger Dom zum Priester geweiht. Seine Priniz wurde in Hohenpolding und auf dem Poldingerhof, den inzwischen sein Bruder Simon übernommen hatte, da der Vater im Jahre 1910 mit 58 Jahren verstorben war, groß gefeiert.

 

Die ersten Priesterjahre

Seine erste Stelle trat Korbinian Aigner als Koadjutor in Ilmmünster an. Ab Beginn des Schuljahres 1912/13 wurde er im nahegelegenen Kloster Scheyern Zeichen- und Turnlehrer, sowie Präfekt (Erzieher) im angeschlossenen Knabenseninar. Die Liebe zum Zeichnen hatte er schon zu seiner Gymnasialzeit entdeckt. Zu seinen Schülern aus dieser Zeit gehörten die späteren bayerischen Kultusminister Alois Hundhammer und Josef Schwalber, sowie der Taufkirchener Schriftsteller Josef Martin Bauer ("So weit die Füße tragen"). Sein weiterer beruflicher Werdegang brachte ihn 1916

als Koadjutor nach Grafing im Landkreis Ebersberg, 1921 als Kooperator nach Haimhausen, 1924 als Aushilfe nach Söllhuben, 1925 für fünfeinhalb Jahre als Kooperator nach Dorfen und im Juli 1931 als Vikar nach Sittenbach im DekanatIndersdorf, wo er am 19. August  1931 zum Pfarrer ernannt    wurde, also 20 Jahre nach seiner Primiz, was damals aber so üblich war.

 

Der "Apfelpfarrer"

In dieser Zeit war es üblich, dass jedes Anwesen mehrere Obstbäume, ja oft sogar einen eigenen Obstgarten hatte, denn da das Bargeld meist knapp war, durfte es nicht für diejenigen Lebensmittel verbraucht werden, die man selbst erzeugen konnte. Korbinian Aigner interessierte sich schon früh für den Obstbau und gründete am 15. August  1908, zusammen mit dem Hartinger Weber Franz Hausladen, im Gasthaus Bart in Hohenpolding (heute das Pflegeheim "Christianum", das ehemalige Gasthaus Winkler) den Hohenpoldinger Obstbauverein, dem gleich 44 Mitglieder bei einem Jahresbeitrag von 60 Pfennigen beitraten. Als Vorsitzender wurde Korbinian Aigner gewählt. Nach den Wochen der Vereinsgründung stieg die Mitgliederzahl schnell auf 82. Es wurden Kurse über das Pflanzen und die Pflege von Obstbäumen abgehalten.Im Jahre 1910 gelang es Aigner, einen Staatszuschuss in Höhe von 1000 Mark für den Verein zu erhalten. Damit ermöglichte er, in seinem Heimatort Hohenpolding die erste vereinseigene Kelterei Bayerns, den "Mostkeller",


einzurichten. Das Gebäude des "Mostkellers" steht heute noch und wird, nachdem es von 1978bis 1991dem örtlichen Fußballverein als Vereinsheim diente, heute von der Hohenpoldinger Feuerwehr als Vereinsheim genutzt.In seinen Kaplansjahren war er unenn'.idlich zu Vorträgen und Beratungen    in der engeren und immer mehr auch in der weiteren Umgebung unterwegs. 1930übernahm er den Vorsitz des Obst- und Gartenbauverbandes Oberbayern. Seit dieser Zeit veröffentlichte er einschlägige Beiträge in der Zeitschrift des bayerischen Obst- und Gartenbauverbandes. Er wirkte als Anreger, Organisator und Vereinsfunktionär und beschäftigte sich so oft wie möglich rrit seinem eigenen großen Obstgarten.

 

Der Gegner des Nationalsozialismus

Korbinian Aigner engagierte sich seit jungen Jahren neben dem Obstbau auch für die Politik und wurde Mitglied der Bayerischen Volkspartei (BVP). 1923ging er in München zu einer Versarrmlung der Nationalsozialisten, in der Hitler den Juden, Kommunisten und katholischen Pfarrern den Tod in Aussicht stellte. Für Aigner war diese Äußerung unfassbar und er meinte, der Redner müsse angetrunken gewesen sein. Um sicherzugehen, besuchte er eine weitere Versarrmlung, in der sich Hitler ähnlich radikal äußerte. Von da an bekämpfte er Hitler und dessen Anhänger.In seinen Predigten sprach er offen die wachsende Bedrohung an und erregte Anstoß, als er sich als pfarrer dagegen wehrte, Kinder auf den plötzlich so beliebten Namen "Adolf" zu taufen. Als er im Februar 1934in der "Christenlehre" abfällig über die SA sagte:  "„.dass keine Gescheiten dabei sind, und der Letzte sei dort gestanden, als ob er die Hose voll gehabt hätte",hat ihm das einen Strafbefehl wegen Beleidigung und eine Geldstrafe von 150Reichsmark eingebracht. Am

Neujahrstag 1936, als die Hakenkreuzfahne zum ersten Mal als Nationalflagge gehisst wurde, sagte er in der Predigt: "Damit ihr nicht auf schiefe Gedanken kommt, möchte ich euch mitteilen, dass die Fahne da draußen nicht geweiht ist und nicht in die Kirche hineingehört." Am 26. März 1936 sollten anlässlich eines Friedensappells Hitlers im ganzen Land die Glocken läuten. Bei Korbinian Aigner blieben die Glocken still.

Im Januar 1937wurde Aigner deshalb von Sittenbach nach Hohenbercha im Landkreis Freising, de facto strafversetzt. Dies war aber für Korbinian Aigner kein Grund, seine Haltung zu ändern.

 

Der Prozess

Am 8.November 1939schlug das Attentat Georg Elsners, im Münchner Bürgerbräukeller Adolf Hitler zu töten, fehl. Hitler verli den Raum vorzeitig und entging dadurch dem Anschlag. Am 9.

November 1939 behandelte Korbinian Aigner in der Religionsstunde von 12 bis 13 Uhr in der Schule von Hohenbercha das Fünfte Gebot "Du sollst nicht töten!" Die Schüler waren über Radio vom Attentatsversuch des Vorabends inforrriert. Aigner ging im Unterrichtsgespräch über die schwere Sünde des Tötens auch auf das aktuelle Geschehen ein und sagte (wie später von Zeugen zitiert wurde):  "Ich weiß nicht, ob das Sünde ist, was der Attentäter  im Sinn hatte. Dann wäre halt vielleicht eine Million Menschen gerettet worden."

Die Aushilfslehrerin Charlotte Gerlach, eine linientreue Nationalsozialistin, inforrrierte am 12. November den NSDAP-Ortsgruppenleiter von Hohenkammer,  nspektor Münsterer, der die Sache weitermeldete, worauf am 22.November 1939Korbinian Aigner festgenommen, und dem Amtsgerichtsgefängnis  Freising überstellt wurde.  hm wurde vorgeworfen, gegen §2 des Heimtückegesetzes vom 20.12.1934verstoßen zu haben.In der Verhandlung am 7.Mai 1940 wurde Aigner zu 7 Monaten Gefängnis in der Münchner Haftanstalt Stadelheim verurteilt. Da ihm die Untersuchungshaft angerechnet wurde, wurde er am 23.Juni aus dem Gefängnis entlassen, aber nicht in die Freiheit, sondern es erging ihm wie vielen anderen Gegnern des Nationalsozialismus, er kam in ein Konzentrationslager.

 

Die Konzentrationslager

Nach Wochen der Gestapohaft kam Aigner am 12.September 1940als Häftling Nr. 32779ins KZ Sachsenhausen, wo er beinahe an einer Lungenentzündung gestorben wäre. "Den Gefallen tu ich Euch nicht, da heroben in Preußen sterben",soll er damals gesagt haben. Am 3.Oktober 1941 wurde er in das KZDachau verlegt, wo er mit der Häftlingsnummer 27788im sogenannten "Priesterblock'' untergebracht war. Arbeiten musste er in der "Plantage", worrit er auch in dieser Zeit seiner Liebe, dem Obst- und Gartenbau verbunden blieb. Aus Apfelkernen züchtete auf einem kleinen Grünstreifen zwischen zwei Baracken Apfelbäume, ja es gelang ihm sogar die Züchtung neuer Apfelsorten. Er nannte sie KZl, KZ2, KZ3und KZ4.Am besten glückte die Sorte KZ3, die später in der Gegend um Freising eine gängige Apfelsorte wurde und 1985,zum 100.Geburtstag Aigners, den Namen "Korbiniansapfel" erhielt.

Kurz vor Kriegsende wollte die SS das KZDachau evakuieren. Am Abend des 26.April 1945musste Korbinian Aigner zusammen mit 10.000entkräfteten Häftlingen den Weg in Richtung Südtirol


antreten, wobei viele entkomnen konnten. Auch Korbinian Aigner gelang am 28. April 1945 in Aufkin:hen am Starnberger See die Flucht, und er konnte im dortigen Kloster unterkommen,wo ihn die Nonnen vor der SS versteckten. Zwei Tage später befreiten die Amerikaner das Lager Dachau und auch Aigner konnte sein Versteck ver1assen.

 

Die Nachkriegsjahre

Korbinian Aigner kehrte nach dem Krieg in seine Pfarrei Hohenbercha zurück, die während seiner KZ-Zeit vom benachbarten Jarzt aus seelsorgerisch betreut wurde. Er ging wieder seinem Hobby nach,und arbeitete  in seinem großen Obstgarten.  Wenn  das Wetter schlecht  war,trug er den Mantel seiner Dachauer KZ-Häftlingsldeidung. Er nahm auch seine Funktionärstätigkeit wieder auf, vom Oktober 1945 bis 1950 war er Landesvorsitzender des Bayerischen Landesverbandes für

Obst- und Gartenbau. Er wurde mit dem Bayerischen Verdienstorden und der Staatsmedaille in Gold ausgezeichnet.   m Alter von 81 Jahren erkrankte er wieder an einer schweren Lungenentzündung, die er aber im Gegensatz zu Sachsenhausen nicht überstand. Er verstarb am

5. Oktober 1966 im Freisinger Krankenhaus. Beerdigt ist auf dem Friedhof in Hohenbercha, dessen Pfarrgemeinde er bis zu seinem Tod treu gedient hat. Sein Sarg war auf seinen Wunsch hin bedeckt von dem alten KZ-Mantel,den er noch Jahrzehnte  nach seiner Haft im Garten getragen hatte.

In Hohenpolding und Hohenbercha erinnern noch viele Obstbäume, für deren PFianzung er den Anstoß gegeben hat, an den "Apfelpfarrer'' Korbinian Aigner.

 

zusammengefasst von Josef Hofstetter

nach einer Darstellung von Hans Niedermayer

 

Zllliick zur Seite ''Geschte Hohegpokling"

 

 

Josef Hofstetter